Montag, 28. September 2015

Die besten Pferdegeschichten

Pestum, Jo: Die besten Pferdegeschichten (Reihe: Der Pferdehof im Münsterland). Bernau: F.X. Schmidt 2012.

Ich werde nie verstehen, warum man beim Herausgeben von Sammelbänden nicht einfach darauf achten kann, dass die Bände in der chronologischen Reihenfolge veröffentlicht werden. Dieser Band enthält die Bände Lenas Fahrt zum grossen Fest, Im Sommerwind  und Ein Fohlen für Lena und damit die Bände 3, 5 und 6 - nur leider in der Reihenfolge 5,6,3, was verwirrend ist.

Ansonsten war ich positiv überrascht - Jo Pestum kannte ich nur als Autor eines der wenigen Nicht-Pferdebücher, die ich als Kind klasse fand, nämlich Der Kater jagt die grünen Hunde, das ich im Vorlesewettbewerb gewonnen hatte (sonst hätte ich's bestimmt nie gelesen, da Krimis mich eher nicht ansprachen). Pferdegeschichten mit ein wenig Münsterländer Lokalkolorit kann er offenbar auch schreiben.

Mal wieder haben wir die für moderne deutsche Jugendbücher fast schon obligatorische Standpunktverortung in der klaren Dichotomie Leistungs- versus Freizeitsport, hier festgemacht an der Hauptperson Lena und ihrer springsportbegeisterten Freundin Annette (die nach einem schweren Sturz aber geläutert scheint).
Lena selbst lebt auf einem Pferdehof, auf dem sich die üblichen Pferdegeschichten abspielen: Ein Feuer bricht aus, für ein Fohlen wird ein neuer Besitzer gesucht, man unternimmt eine längere Kutschfahrt. Besonders originell ist das Ganze also nicht. Positiv hervorzuheben ist allerdings, wie liebevoll wirklich alle Charaktere gezeichnet werden, vom Papa über den verfressenen kleinen Bruder bis hin zu Herrn Tewes, der bei der Versorgung der Pferde hilft. Sogar beim nächtlichen Klönschnack der bäuerlichen Nachbarschaft nach dem Feuer hat man das Gefühl, mittendrin zu sitzen in der launigen Runde.
Lenas Lieblingspferd, die ältere Stute Raja, erscheint durchaus auch als Persönlichkeit, bleibt aber hinter ihrem Potenzial zurück, da sich die Geschichte sehr auf Lena und ihr persönliches Erleben der Ereignisse konzentriert. Dem zu folgen, macht aber durchaus Spaß!

Sonntag, 13. September 2015

Unsere Liebe, die Pferde

Fällt Euch was auf? Genau, ich habe eine neue Kamera!

Gefährten des Windes

Frank, Astrid: Gefährten des Windes. 2 Romane in einem Band. Thienemann 2015.

In diesem Band befinden sich die beiden Roman Fliegen wie Pegasus und Gigant.

Dieser Band hat mich leider enttäuscht. Er ist nicht schlecht geschrieben, aber ich hatte nach dem Covertext einfach mehr erwartet. Immerhin geht ja die Autorin mit ihren Themen etwas ab von den üblichen Pfaden. Dadurch habe ich meine Erwartungen wohl zu hoch geschraubt.
Im Roman Fliegen wie Pegasus sollte es laut Klappentext um ein ausgemustertes Springpferd gehen, das aber "versteht, auf die Bedürfnisse behinderter Kinder einzugehen". Daher hatte ich damit gerechnet, dass seiner Arbeit mit diesen Kindern auch Raum eingeräumt wurde, aber dem ist leider nicht so. Die Handlung springt häufig hin und her und bricht ab, als Pegasus in einen Therapiestall umziehen soll. Das einzige, was ihn dafür qualifiziert, ist, dass er Kinder mag und den autistischen Bruder seiner momentanen Besitzerin nicht über den Haufen rennt, als dieser unter ihn fällt. Ob er also tatsächlich ein Therapiepferd wird, bleibt am Ende offen.
Am Anfang des Buches wird ein Teil der Mitte abgedruckt - die Bereiterin Fina von Essen verhandelt mit einem Bauern über den Preis für den schwer erkrankten Pegasus. Das ist clever gemacht, da man so wissen möchte, wie das vielversprechende Springpferd so tief fallen konnte.
Leider wird dahin den menschlichen Beziehungen gefühlt mehr Raum eingeräumt als Pegasus. Fina und ihr Chef, Fina und ihr Freund, Kathrin und ihr Bruder... überall will die Geschichte sein und macht das auch nicht schlecht, aber so verliert das Pferd an Raum. Pegasus' Ausbildung unter Fina, der Bereiterin, die schon bei seiner Geburt dabei war, wird anfangs kurz behandelt, und dann startet er mit sechs Jahren beim CHIO. Dazwischen hätte man das Tier ja auch als Leser mal kennenlernen können. Bald darauf stürzt der Wallach schwer, und es beginnt sein Abstieg. Schnell landet er als Schulpferd in einem schlecht geführten Stall, wo er an Rehe erkrankt und von Fina zurückgekauft wird.
Dann wird er nach einem kurzen Aufenthalt auf einem Schutzhof von Kathrins Eltern gekauft. Kathrins Mutter befürchtet jedoch, dass ihrem autistischen Sohn etwas passieren könnte, da dieser sich heimlich zu ihm schleicht.
Zufällig wird dann quasi sofort der Kontakt zum Therapiestall hergestellt, und Pegasus wird dorthin abgegeben werden. Wie gesagt, die Tatsache, dass der unter ihn fallende Leon nicht von ihm zu Tode getrampelt wird, reicht dafür offenbar aus.
Ich fand das Ende sehr unbefriedigend. Statt dem Geplänkel zwischen der sorgfältigen, liebevollen Fina und dem aufs Geschäft bedachten Gestütsbesitzer und dem zwischen Fina und einem nachlässigen Pferdepfleger beizuwohnen, hätte ich viel lieber von Pegasus' Werdegang als Therapiepferd erfahren.
Auch der Klappentext ist irreführend: Es "rettet dem ehemaligen Turnierpferd" nicht das Leben, dass es mit behinderten Kindern umgehen kann (wie gesagt, das wissen wir gar nicht); das Leben rettet ihm Fina, die den schwerkranken Pegasus vom Bauern loskauft, und das hat nichts mit seiner Eignung für irgendetwas zu tun, sondern damit, dass sie schlicht an ihm hängt.

Mit Gigant habe ich fast die gleichen Probleme. Grundsätzlich finde ich es klasse, dass sich mal jemand des Themas "Pferde bei der Polizei" annimmt.
Dass aber ausgerechnet Paula, die kleine Schwester einer der Polizeireiterinnen, die Ich-Erzählerin ist, finde ich unbefriedigend. Sie greift auf Erzählungen ihrer Schwester zurück, ist auch mal dabei, wenn die Pferde ausgebildet werden, und berichtet auch von Einsätzen (Konzert / Fußballspiel), bei denen sie selbst Gigant als Zuschauerin erlebt - aber was das Pferd wirklich spürt, könnte so recht nur seine Reiterin schildern. Das tut sie auch, wenn Paula z. B. ihrer Freundin erzählt, was ihre Schwester ihr geschildert hat, oder wenn die Schwester Paula im nachhinein berichtet - nur irgendwie wünscht man sich doch, mittendrin dabei zu sein. Musste da nun unbedingt noch das Teeniemädchen als Identifikationsfigur verwurstelt werden? Ähnlich wie im ersten Band, in dem die Geschichte mit etwas Geschick auch ohne den Zwischenstopp bei Kathrin funktionieren würde?
Besonders fiel mir die Diskrepanz zwischen tatsächlicher und sinnvoller Erzählperspektive zum Ende hin auf, als die Reiterstaffel nach Paula sucht, die mit einem gebrochenem Bein in einem Loch im Luftschutzbunker liegt. Die Ich-Perspektive wird unterbrochen, und da, wo sie durchgehalten wird, wirkt sie einfach nur fehl am Platz.

Fazit: Idee schön, Ausführung nicht. Finde ich richtig, richtig schade!