Freitag, 12. Dezember 2014

Iwan, das Panjepferd

Dieses Buch ist etwas ganz Besonderes.
Es ist die autobiographische Geschichte des Jungen Heinz Buchholz, der 1944 im Alter von 13 Jahren aus seiner Heimat Ostpreußen vor den Russen fliehen muss. Iwan bekommt er, da das Pferd verletzt ist, von einem durchreisenden Soldaten geschenkt, der ihm erzählt, Iwan habe ihm oft das Leben gerettet, und er werde auch ihm ein guter Freund sein.

Auch die Familie Buchholz zu retten, sollte Iwan im Laufe der Flucht immer wieder gelingen. Der Autor ist sicher, dass er ohne Iwan nie überlebt hätte, und erzählt, wie Iwan es immer wieder anstellt, die Familie zu retten. Manche Dinge erscheinen nur logisch (etwa, dass Iwan mit seinem feinen Gehör die angreifenden Flugzeuge früher hört als die Menschen und daher bereits unter schützende Bäume läuft, wenn der Himmel noch klar erscheint, oder dass das instinktsichere Tier die kleinen Vorräte der Nagetiere im Wald aufspürt und ausgräbt), andere lassen den Leser erkennen, dass Iwan wirklich in jeder Hinsicht bemerkenswert ist, zum Beispiel, als er die Familie sicher über das Eis des Haffs führt oder rechtzeitig, als er vom Militär requiriert werden soll, beginnt, bühnenreif zu humpeln.
Iwan rettet, das macht Heinz Buchholz uns immer wieder deutlich, die gesamte Familie ein ums andere Mal. In diesem Buch geht es also weit mehr um die Partnerschaft zwischen Mensch und Tier, die zum Überleben aufeinander angewiesen sind, als in nahezu jedem anderen Pferdebuch.

Natürlich ist dies kein Buch für kleine Kinder, die ein neues Pferdebuch suchen, das neben "Sternenschweif" ins Regal gestellt werden soll. Glücklicherweise müssen unsere Kinder hier in Deutschland für gewöhnlich nicht in jungen Jahren mit Massensterben, Vergewaltigungen und Zwangsarbeit konfrontiert werden, und Eltern tun gut daran, die Entscheidung, was und wieviel sie ihnen zumuten können, vorsichtig zu treffen.
All diese Dinge kommen im Buch vor, so beschrieben, wie der Autor sie als Junge erlebt hat. Und ein typisches "Happy End" gibt es - verständlicherweise- auch nicht. In gewisser Hinsicht hat der Autor natürlich Glück gehabt - im Gegensatz zu vielen anderen überlebt er die Flucht, schafft es nach Westberlin und kann dort mit seinem Vater ein neues Leben beginnen. Dennoch zeichnet sich schon ab, dass der Vater, sei es durch die eigenen traumatischen Erlebnisse oder den Tod seiner Ehefrau bedingt, der Familie nicht den Halt geben kann, die sie nach den schlimmen Ereignissen bräuchte.

Der Autor schreibt selbst, dass er seine Gedanken zu Papier gebracht hat, weil die schlimmen Erinnerungen, die er lange verdrängt hatte, im Alter immer wieder auftauchten. Als moderner Leser wundert man sich nicht ob der Verdrängung, sondern eher darüber, dass Heinz Buchholz und seine Generation es trotz ihres Leidensweges geschafft haben, ein normales Leben zu führen.

Natürlich könnte man noch vieles sagen: Wie wichtig es ist, dass wir solche Bücher haben, auch und gerade heute noch, da es so viele Konflikte auf der Welt gibt. Vertriebene Kinder, vergewaltigte Frauen, Krieg und Gewalt gehören leider noch immer nicht der Vergangenheit an. Man könnte auch darauf hinweisen, dass das Buch junge Menschen dazu anregen kann, sich mit ihrer  Geschichte auseinanderzusetzen, dass wir die enge Beziehung, die zwischen dem Panjepferd und Heinz Buchholz besteht, gar nicht mehr nachvollziehen können, und noch viel mehr... aber stattdessen sollte man einfach "Danke" sagen - danke, Herr Buchholz, dass Sie den Mut hatten, sich ihren Erinnerungen zu stellen und dieses Buch geschrieben haben, und danke auch dafür, dass Sie es zu einer Art Pferdebuch gemacht haben, das Ihrem einzigartigen Iwan, aber auch der engen Beziehung zwischen Mensch und Tier ein Denkmal setzt.

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